Archiv der Kategorie: Text in Deutsch

Schön tödlich

Ich war gleich verliebt in ihn, wollte keinen von den großen Marken, Montblanc, Pelikan, Lamy. Überhaupt alle wunderschön, die von Waldmann, manche mit Diamanten zu irrwitzigen Preisen über 2000 Euro. Aber alle handgemacht. Meiner war natürlich viel, viel billiger – aber mit Gravur. Ich will etwas besitzen, dass ich jahrzehntelang behalte. R. bestärkt mich darin, er hatte seinen zum Diplom bekommen. Die Deutsche Welle drehte 2014 einen kurzen Beitrag über das Unternehmen, darin sieht man die spanabhebende Technik beim Gravieren. Einen längeren Beitrag gibt es auch vom SWR, darin wird gezeigt, wie so ein Füller überhaupt in Handarbeit entsteht. (Randbekmerkt: Die ganze Serie SWR Handwerkskunst ist sehenswert: Wie man einen Strandkorb macht, wie man ein Pferd beschlägt, wie man eine Perücke knüpft…)

Waldmann Voyager

Der Füller kommt zur rechten Zeit: Das erste Tagebuch für 2021 ist fertig und das neue will beschrieben sein. Beim Bloggen merke ich: Das Redigieren von Texten hat mir sehr gefehlt. Überhaupt: Texte liegen lassen und über ein paar Tage schreiben – Twitter, my ass. Und ich schreibe ausnahmlos gern in Weblog-Software, warum auch immer. Ein Word-Dokument würde es auch tun, fühlt sich aber anders an. Und es geht nicht um das Veröffentlichen. Vielleicht finde ich’s noch raus.

Tagebuch 1 / 2021

Eine weitere Entdeckung: Der Rote Fingerhut. Diese herrliche, große Pflanze mit den nickenden Blüten. Alles an ihr ist giftig, zwei bis drei Blätter können einen Erwachsenen töten. Doch eigentlich hätte ich die Woche nur mich vergiften mögen. Ich habe mich verschätzt, was meine Kräfte angeht. Unerwartet reißt etwas auf, was erledigt geglaubt und die Schmerzen machen mich für ein paar Tage sprach- und ratlos. Im Nachhinein verwundert über die falschen Annahmen, die sich in meinen Kopf festbeißen, wie so ein kleiner, giftiger Hund. Und die alten Geschichten, die noch viel hartnäckiger sind und die sich nicht abschütteln lassen. Als wären sie zusätzliche Gliedmaße, verbogen, aber irgendwie zu einem gehörend. 25 Jahre schon. Langsam schleiche ich voran, denn noch ist alles wund. Man weiß ja nicht, wie ernst das ist. Nur eine kurze Verspanntheit, rede ich mir ein. Die kann man übersehen. Das würde alles belassen wie es ist. Ich bin gut in Anfängen, aber nicht so gut in Enden. Und ich habe für eine Normalität gekämpft die letzten Monate.

Roter Fingerhut auf meinem Balkon

Wasser & Seife

Als die Pandemie neu war, wusch ich mir zu viel die Hände und meine Haut kaputt. Mosul Eye schimpfte und sagte, ich dürfe nur gute Seife verwenden: Aleppo-Seife. Ich hatte noch nie davon gehört. Ich nahm an, dass ich sie in Deutschland sowieso nicht bekomme und vergaß das Ganze. Bis ich vorgestern wieder auf einen Seifen-Tweet stieß. Und siehe da: Man kann sie bei Amazon bestellen. Zuweilen findet man sie auch auf Weihnachtsmärkten, riet mir eine syrische Freundin.

Aleppo-Seife

Die Seife besteht aus Olivenöl und Lorbeeren und wird traditionell zwischen November und März produziert und zwar auf folgende Weise, wie Wikipedia weiß:

Über Bodenkesseln auf offenem Feuer wird Olivenöl bis zu drei Tage unter häufigem Rühren auf etwa 200 ° Celsius gesiedet. Zur Verseifung werden schrittweise Wasser und Soda-Asche zugeführt. Dabei wird das Olivenöl in Glyzerin und Natriumsalz aufgespalten. Kurz vor dem völligen Aussalzen wird das Lorbeeröl hinzugegeben, dessen Anteil üblicherweise zwischen zwei und 40 Prozent, selten bis 60 Prozent der Ölmenge variiert

Die Seife ist quasi geruchlos und schäumt nur leicht, aber man merkt sofort wie ölig sie ist. Die Haut trocknet tatsächlich wenig aus.

Freibad Mertesdorf

Erst Seife, dann Wasser: Großes Glück bereitete mir die erste Schwimmrunde in diesem Jahr. Mein Hausbad wird renoviert, also fuhr ich ins Umland. Die ersten Bahnen lassen mich meinen Wal-Zustand mehr wahrnehmen als mir lieb ist, aber nach 30 Minuten tun die Muskeln so weh wie sie weh tun sollen. Wale sind vermutlich ganz gute Schwimmer, fällt mir beim Tippen auf, freundlich auch, jedenfalls lässt man Touristen mit ihnen schwimmen. Freundlich sind auch die Menschen um mich herum. Überall so eine Erleichterung doch wieder ein Stück im Leben zu sein.

Gardenia jasminoides

Bevor es auf die Reise geht noch einmal den bunten Mangold vom Balkon. Mit Knoblauch, Chiliöl, Zwiebeln und Salz. Vor dem Fenster das erwartete Gewitter. Die Balkontür offen. Regenrauschen und gute Luft. Auf eben jenem Balkon hockt seit ca. 1 1/2 Wochen zu allen Gelegenheiten ein Vogel und flötet. Obwohl ich kein Futter habe, nur nette Aussicht. Frau Stattkatze weiß Rat: Das Tierchen flötet um sein Revier und der Platz ist günstig, um das Nest gut zu beobachten. Wenn eine Katze kommt klingt es wie Herzinfarkt, sagt sie

Mangold, bunt

Die Gardenie hat ihre zweite Blüte bekommen. Ich mag das dunkle Grün und wie das Weiß sich davon abhebt. Und dass die Blüten fest und dick sind, wie Blätter: Ich lerne: Gardenien sind von Indochina bis Taiwan und dem südlichen Japan verbreitet. Ihr chinesischer Name ist Zhi Zi und ich weiß, dass die Assoziation an die österreichische Kaiserin bekloppt ist, aber ich kann nicht anders. Alle Ratgeber stimmen mir zu, schwer zu pflegen sei sie. Man solle froh sein, wenn überhaupt mal eine Blüte aufgehe. Sehr launisch. Ich lerne auch: Die Gardenie ist in allen Teilen giftig und wirkt abführend. In China war sie bereits seit dem Jahr 960 kultiviert und kam 1652 über Südafrika in die Niederlande. Die Polynesier auf den pazifischen Inseln verwenden die duftenden Blüten in ihren Blumenketten, die „Ei“ genannt werden.

Gardenia jasminoidis

Ich mag das Langsame dieses Abends, aber ich muss noch ein Taxi bestellen.