Archiv des Autors: Anneke

Madeira

Bovs neues Buch „Der Vorweiner“ gelesen. Ist mir mit dem Thema Tod gerade zu nah an meinem wirklichen Leben. Der Hund in Kapitel 4 mit einem braunen und einem blauen Auge ist natürlich „Kleiner Hund“, auch wenn Bov das abstreitet.

Bleibe diesmal ausschließlich in Funchal, mit den gelben Stadtbussen lässt sich alles Wesentliche erreichen. Die Wochenkarte kostet 22 Euro. Ich schaue mir natürlich vor allem die Gärten an: Monte Palace, Jardim Botanico, Palheiro Gardens Ich sehe zum ersten Mal blühende Flammenbäume in echt und bekommen einen Eindruck. wie meine wohl mal aussehen werden. Besuche als gute Touristin natürlich auch die Arte de Portas Abertas. Es gibt einen netten Netzauftritt bei dem man sich die einzelnen bemalten Türen online anschauen kann.

Es gibt hier Spar als Supermarkt-Kette und Kiosk-ähnliche Touristen-Supermärkte. Wenn man Pingo Doce als portugiesische Kette nimmt ist gleich alles viel billiger.Als öffentliches Schwimmbad ist der Lido-Komplex zu empfehlen. Er hat im Gegensatz zu den Hotel-Pools auch einen Zugang zum Meer. Das Wasser ist sehr salzig und die Strömung ordentlich. Da Madeira aber keine Strand-Badeinsel ist, ist dies ein guter Weg doch mal ins Meer zu kommen. Hier tummeln sich vor allem Einheimische. Möchte man seinen Umkleideschrank abschließen muss man sein eigenes Schloss mitbringen. Liegen kosten einen verträglichen weiteren Euro, die Aqua-Fitness-Bespaßung ist kostenfrei.

Ich entdecke auf Madeira vor allem den Alkohol und weiß nicht, ob mir das zu denken geben sollte. Roter Sangria, Poncha und Madeira-Wein. Letzterer soll sich in der Küche für Soßen zu Fleisch gut verwenden lassen. Kommt auf die To-Do-Liste für den Herbst. Eine weitere Entdeckung: Schwarzer Degenfisch. Extrem köstlich, aber leider sehr schwermetallbelastet.

Unerfreuliches:

  1. Die Ägyptische Tigermücke ist eingewandert und die Mücken hier lieben mich. Sehr sogar.
  2. Ich verkneife mir Social Media weniger als geplant und bekommen dann natürlich doch den hinramputierten bayrischen Wahlkampf mit. Zum Glück gibt es den schlauen Herrn Hack, der es schafft, einen intelligenten Text zum Gillamoos zu schreiben.
  3. Ich habe wenig Lust auf Herbst. Für mich fühlt es sich an, als hätte der Sommer eben erst begonnen => nächstes Jahr früher Urlaub nehmen.

Nach der Erschöpfung (Wittenberg)

Frau Mama schreibt anderswo: Ich glaube, ja, dass besonders in der Erschöpfung das alleinsein schwierig wird, weil man sich ja neben allem auch noch immer selber aus dem Sumpf, usw.

Ich habe einen Katalog an Sumpfziehtechniken, aber wenn in der Erschöpfung das Depressive in Gleichgültigkeit abdriftet, höre ich einfach auf mich zu kümmern. Für jedem anderen wäre ich längst losgerannt, aber nichts, gar nichts in mir drängt mich danach, mich selbst zu retten. Es ist mir schlicht egal. Die Erfahrung weiß, es braucht ein paar Tage Ruhe, dann vergeht dast. Es ist aber trotzdem unheimlich.

„Wenn der Tag vorbei ist, habe ich nichts produziert, aber ich habe Begegnungen mit Menschen gehabt“, sagt der junge Pfarrer. Er steht am Ende einer Woche Wittenberg, das schöner war als ich erwartet hatte. Die Gruppe sehr entspannt und relaxed, aber ich spüre doch die Eigenbrödlerin. Brauche immer Zeiten in denen ich mich rausziehe, schlendere, zeichne, schreibe. Die Rolle Melanchtons in der Reformation war mir gar nicht klar, auch Cranach verband ich nicht wirklich mit dem Ort. Melanchtons Totenbild rührt mich seltsam an. Durch den Ort fließt das Röhrwasser, das zunächst durch Eichenpfähle nur an die 5 reichsten Wittenberger verteilt wurde. Man wollte Melanchton in der Stadt halten (er sollte nach Cambridge und anderswo abgeworben werden). Also schenkte man ihm ein Haus und einen Wasseranschluss. Die Initiative zur Rettung der Cranach-Häuser enstand übrigens bereits in der DDR. Diese bewilligte auch Mittel, aber es konnten keine Baustoffe aufgetrieben werden. Zum Glück änderte sich das nach der Wende, die Häuser hätten keine 20 Jahre mehr gemacht. Luthers Wohnzimmer hinterlässt bei mir einen Eindruck von Geselligkeit, Bänke entlang der Wände und ein großer Ofen. Peter der Große besuchte einst das Haus und hinterließ seine Unterschrift auf der Wohnzimmertür (was man dann schnell unter Glas rahmte). Wer Geschichte mag wird in Wittenberg jedenfalls glücklich werden.

Weiteres: Die Elbe macht um die Stadt quasi einen Bogen, also biegt kurz vorher ab und kehrt hinterher zurück, was sehr günstig bei Hochwasser und sehr ungünstig für Naherholung ist. Es gibt keine wirkliche Verbindung zwischen Stadt und Elbufer, man muss hässliche Schnellstraßen überqueren, um dort hin zu gelangen. 2027 kommt die Landesgartenschau nach Wittenberg und es gibt einige Ideen/Entwürfe diese Situation dann zu verbessern.

Bitter ist, dass die Universität von 1502 im Jahr 1813 geschlossen wurde, und dass Versuche einer Neugründung nach der Wende von der Universität Halle verhindert wurden. Die ganzen Stadt atmet den Geist von Bildung und Reformation, da fehlt schlicht etwas.

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Mitte August

Man sitzt da und weiß, dass man es nicht schaffen wird. Eine Korrespondenz hätte es werden können, das wäre schön gewesen. Aber auch das war wohl zu viel. Doch kleiner kann das Herz nicht mehr werden, es ist ja so schon ganz verschrumpelt. Das war das Mindestmaß: irgendein inhaltlicher Austausch. Weg also, irgendwohin, wo nichts mehr weh tut. Frei sein. Eine Perspektive haben oder zumindest eine suchen. Unerträglich zähe letzte Tage bis zum Urlaub. Ich weine und schlafe eh die meiste Zeit. Und immer noch im Gepäck das schlechte Gewissen: Ich hätte die Tür nicht knallen dürfen. Ich dramatisiere sicher nur, so war das nicht gemeint. An die positiven Aspekte sollte man sich auch erinnern. Sich selbst und seine Bedürfnisse für irrelevant erklären. Seltsame Gleichzeitigkeit einer Erinnerung an Zuneigung und Gewissheit, man geht für kein Geld der Welt da wieder hin. Schockiert, dass die Zuneigung nur erinnert werden kann, durch den Schmerz hindurch gefühlt werden kann sie nicht mehr. Schockiert auch über die eigene Gleichgültigeit und Empathielosigkeit, die damit einhergeht. Noch etwas raushauen – das war’s.

Über den Elefant im Raum wollte niemand sprechen. Meine Bestürzung darüber, dass das tatsächlich so ist.

Wie wenig in Allem ist. Tut weh.

(Druck)Abfall

Nach dem Druckabfall mental sehr schlecht. Wie immer. Gedanken an all die Ecken in denen ich sinnlose Kämpfe führe. Und mit welcher Energie immer. Und alleine. Immer. Am Ende für die Katz. Ist mir die Welt, ich nice-to-have. Wertlosigkeit.

Du weißt, dass das nicht stimmt.
Ja.
You must be your own keeper and create yourself a home.
Ja.

In der Außenwelt wird gerade die AFD normalisiert. Natur-Draußen, ohne Menschen, geht.

Ein neuer Ring, Silber, oxidiert. Bekenne Dich zu dieser Stadt, die immer noch nicht Heimat ist. Vielleicht hilft das. Papiere auf dem Tisch zeigen wer beschissen wird und wer nicht. Warten auf Geld, warten auf Zusagen, warten auf Antwort. Das (glückliche) Leben der anderen.

Du weißt, dass das nicht stimmt.
Ja.
You must be your own keeper and create yourself a home.
Ja.

Im Kino Oppenheimer. Die Bombe ist wieder in der Popularkultur angekommen – das kann kein Zufall sein? Cillian Murphy wunderbar und immer noch sehr schön. Wie er mit Florence Pugh, die seine Geliebte spielt, nackt zusammensitzt. Und sie auch. Sehr sinnlich. (Edit: Die Szene wurde in mehreren Ländern zensiert, las ich gerade). Alte Ängste kriechen hoch. Die Bombe zündet. Natürlich gibt es einen Gegenspieler: Strauss. Ich habe keine Ahnung warum, aber ich muss an Mozart und Salieri denken. Strauss wird ähnlich eifersüchtig und intrigant insziniert (und war es vielleicht auch, ich muss die Original-Biografien erst lesen).

Was die Tage (wieder) alles über Körper und Sexualmoral abgehandelt wird. Plötzlich ist BDSM wieder ein Thema – das war seit den 90ern nicht mehr so? Die einen entdecken an dem Rammstein-Skandal, dass es Praktiken gibt, die andere Menschen erniedrigen. Also nicht nur der nicht vorhandene Konsens ist Thema, sondern die Praktiken selbst, oder sie werden nicht als solche verstanden. (Generell ein interessanter Fall, da da unterschiedliche Machteben zusammenfallen, diese Komplexität hat die öffentliche Debatte aber nicht, generell hat sie sich verselbstständigt). Auf der anderen Seite hyperventiliert sich’s, weil auf dem CSD Fetisch-Leute rumlaufen. Dass tun sie zwar schon seit 20 Jahren, aber was lässt sich nicht alles dramatisieren? Ist Trans auserzählt? Oder wird es der Einfachheit halber da mit reingerechnet? Liberaler wird die Außenwelt jedenfalls nicht.

Ich könnte eine lange Liste dessen machen, was alles fehlt. Ich sollte eine lange Liste dessen machen, was da ist.

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Mann kann nicht nicht kommunizieren. Was das Schweigen zu mir sagt ist: Mach das mit Dir selbst ab und sieh zu wie Du klar kommst. Nicht schön, aber dann ist das so.

(Die Traurigkeit: So eine bleierne Schwere)

甘茶 Hydrangea macrophylla var. thunbergii und ein Menschenfeind

S. bringt mir eine japanische Tee-Hortensie. Ihre Blätter sind sehr süß, mehr als Zucker, sagt sie. Man kann die Blätter fermertieren oder nur so einen Tee daraus kochen. Er muss lange ziehen, so 20 Minuten. Ich kannte die Pflanze bis jetzt nur als Zierpflanze, die Blütenstände sind wunderbar, weiß und lila. Auf dem Balkon sind die Kornblumen durch, ins Straßenbeet setze ich noch einmal Ziersalbei und ein paar Disteln.

Frustriert und gefühlt einsam diese Tage. Die AFD liegt mittlerweile bei 20%, die Gespräche darüber ziehen mich eher runter. Viel Gejammer und Schuldzuweisungen an die anderen, wenig Kampfgeist. Die Linken geben der Mitte die Schuld, die Mitte gibt den Linken die Schuld, wie gut, dass niemand irgendetwas ändern muss. Und man hätte ja, aber die anderen… Thomas Krüger, der Chef der Bundeszentrale für Politische Bildung sagt: Eine Demokratie ohne aktive Demokratinnen und Demokraten – das geht eben nicht. Man kann sie nicht nur an Berufspolitiker delegieren, Natürlich haben nicht alle die gleichen Ressourcen, was Kraft und Zeit angeht, aber wenn jeder die Woche nur ein bis zwei Stunden in politisches oder zivilgeselschaftliches Engagement investieren würde, wäre schon vieles besser. Das muss nichts zwangsweise eine Partei sein. Maile mit M. und trete ihm auf die Füße, er verspricht das auf einer seiner nächsten Lesungen zu thematisieren. Immerhin. Viel Ekel vor den Alt-Linken, die schon seit Ewigkeiten nichts mehr machen wollen. Noch mehr Ekel vor den gut ausgebildeten Akademikerinnen und Akademikern, die es besser wissen könnten und die oft bessere Ausganslagen haben, was Ressourcen angeht. Die aber außer Arbeiten und Privatisieren nichts machen wollen. Ekel auch vor Jenen, die außer Aufregungen auf Twitter nichts zustande bringen und denken, das wäre politische Arbeit. Auch immer weniger Lust, Zeit mit solchen Leuten zu verbringen. Ich bin kein Menschenfreund zurzeit, fürchte ich. Und privat ist auch nichts, was mich wärmen würde.

(Edit: Was mich diese Woche schockierte: Elisabeth wurde von iranischen Milizen im Irak entführt)

Erste Juniwoche 2023

Frau Mama schläft schlecht und ich auch und dann kann ich ja gleich mitbloggen. Muss langsam zurück ins Leben, merke ich. Montag das erste Mal seit einer halben Ewigkeit beim Training, C. quatscht mich an, ob ich nächste Woche mit einer behinderten Olympiamannschaft zusammen trainieren möchte. Ich habe keine Ahnung, was man da machen muss, sage aber erst einmal ja. Fühle mich immer noch nicht „lustig“ genug für Menschen, aber muss ja. Auch das erste mal seit Wochen Teamsitzung. „Wie geht es dem Hund?“, frage ich S. „Ja, der ist tot“, sagt sie. Bisschen geschockt, mein letzter Stand war Antibiotika. Organisiere für sie ein After-Work-Grillen nächste Woche, damit sie nicht traurig zu Hause rumhängt. Lela liegt im Garten der Eltern, werde ihr einen kleinen Grabstein/eine kleine Grabplatte malen. Für einen Schwan habe ich das ja gerade hinter mir. Es ist in Trier nicht möglich große Kiesel zu organiserien, nur im Baumarkt als 25-Kilo-Pack, na danke. Also Schieferplatte, für Amazon habe ich keine Zeit. Noch ein gemachtes Fotobuch von der Beerdigung abholen und an alle versenden.

Nach zu kurzer Nacht Donnerstag um 4:45 Uhr aufstehen, die Strecke ist mit einem Busersatzverkehr beglückt worden. Am Bahnhof frage ich den dort stehenden Busfahrer, ob dies der Ersatzverkehr nach Mettlach sei. Er sagt: Nein. Später kommt ein zweiter Mann hinzu und es stellt sich raus, dass er das sehr wohl ist. Wir fahren nicht, wie anzunehmen ist, die B51, sondern verfahren uns in der Hügellandschaft um die Mosel. Einmal muss er wenden. Ich hatte ja schon vieles, einen sich verfahrender Schienenersatzverkehr, nicht. Brauche insgesamt 10 Stunden bis ich im Hotel bin. Mit mir: Horden von Rammstein-Fans, die schlussendlich nachts doch ruhiger sind als angenommen. Treffen mit dem Künstler, das Beet von Edelgut (Schwan) pflanzen. Kaffee, Spazierengehen, Quatschen, sehr schön, sehr angenehm. Zurück im Hotel kommen die Gewitter wieder, wunderschöner Regen. Schlafe aber wieder nur 5 Stunden und bin jede Stunde wach, zu viel, was noch in mir brodelt und sich nicht richtig setzt. Heute oder morgen nach Dachau, das war der eigentlich Plan.