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Ein Wochenende im Mai

Seit einer halben Ewigkeit mal wieder in der Tufa. Saif-al-Khayyat-Trio. Das Trio, das eigentlich aus vier Leuten besteht, spielt eine Mischung aus arabischer Musik und Bach, was ganz bezaubernd ist. Die Deutschen (Akkordeon und Cello) sind so deutsch, wie man nur deutsch sein kann. Der Akkordeonspieler ein blonder Hühne, sie alternativ und schlecht angezogen. Mich wieder gefragt, woher die deutsche Alternativszene diese Idee des Schlecht-Angezogen-Seins eigentlich her hat. Eine Eigenschaft, die in südlichen politischen Kontexten oder Künstlermilieus komplett unbekannt ist. Mich kickt die Kombination Oud und Daf sehr, und ich erwerbe im Nachgang gleich eine CD per IMusic. Lerne dabei Nora Thiele kennen, ganz wunderbar. Immer noch ziemlich kaputt vom Tod meiner Mutter und dem Drumherum, bei der zweiten Zugabe will ich einfach nur nach Hause, obwohl es sehr gefällt.

Am nächsten Morgen klingelt um halb sechs der Wecker, ich fahre nach München, dem Künstler bei seiner Ausstellung die Ehre erweisen. Denke schnell: Du bist doch bekloppt! Und: Aus dem Alter Ich-fahre-mal-eben-für-ne-Party-nach-Berlin solltest Du eigentlich raus sein. In Mannheim frühstücke ich und erwerbe einen Bogenhanf als Geschenk, eine deppensichere Pflanze, die im Grunde nicht umzubringen ist. Die Ateliergemeinschaft liegt ein wenig außerhalb, auf einem ehemaligen Krankenhausgelände, wunderschön im Grünen, das in den 80ern besetzt wurde. Allerlei Vereine und Initiativen finden sich hier, bedroht 2025 da rauszufliegen, man kann da sicher schöne Eigentumswohnungen bauen. Der Vorteil, wenn man sehr müde ist, ist, dass man nicht nervös und im Halbschlaf alles ok ist. Der Künstler hat 2 Bilder verkauft und scheint glücklich zu sein. Er kippt Kaffee in mich hinein, damit ich so zappelig wie er werde. Wir diskutieren über „das Sehen“, das macht mich schlau und ihn ruhig. Frage mich hinterher, ob ich mich mehr mit den Bildern hätte beschäftigen müssen, andererseits will man ja mit dem Menschen reden und nicht mit den Bildern, wenn man schon mal da ist. Der Künstler sagt, man sieht sofort, ob jemand wirklich interessiert ist oder nicht. Ich lerne: Auf einer Vernissage sagt man nicht „Ich male auch“. Nebenan ist der Proberaum des Künstlers, weil er auch Musik macht. Menschen kommen mit Instrumenten und sie spielen was. Der Künstler hat eine schöne Stimme und singt wunderbar. Aber ich ermüde schon wieder sehr schnell und seile mich bald ab. Am nächsten Tag Schokolade bei Läderach bevor ich nach Hause fahre. Könnte ein München-Ritual werden.

Hamburg

Auf der Hinfahrt sehr ruhig. Konzentriertes Arbeiten macht die Fahrt kurzweilig. Am Nachmittag auf der Fuhslbütteler Straße dann plötzlich schwere Durchfälle, die mich direkt auf der Straße überkommen. Eine Situation, die ich in diesem Leben bitte nicht noch einmal erleben möchte. Ich habe die Zuckerersatzstoffe in Verdacht, von denen ich weiß, dass ich sie nicht essen darf. Zum Glück habe ich Waschmittel eingepackt, allerdings nur eine Hose, die der Hotel-Fön trocknen muss. Ich plane für den Rest des Abends „irgendwas mit Ruhe“, aber CG1 meldet sich spontan und wir videokonferieren fast 2 Stunden. Ich darf ihn nicht Komplett-Freak nennen, weil er für 10.000 Euro Fahrräder gekauft hat, weil „Du bindest Leuten Gliedmaße ab, so kann man keine Männer kennenlernen“.

Samstag Vormittag in die Stadt. Obwohl der Magen immer noch flau ist, esse ich Grünkohl, man weiß ja nicht, wann und ob man im Süden wieder was bekommt. Im Hotel dann aber doch 2 Stunden Mittagsschlaf, der Körper ist irgendwie kaputt. Zu A1 zur Geburtstagsfeier. Ihr Mann schnallt nicht, dass das ihre Gäste sind und dirigiert stundenlang die Unterhaltung. Keine der Anwesenden weiß, warum die beiden immer noch verheiratet sind, aber Ehen sind komische Gebilde, deren Funktionsweisen sich Dritten nicht immer erschließen. Nach dem Essen verpieseln wir uns als Damen-Clique auf den Dachboden, wo A. ein ausgebautes Arbeitszimmer hat und lassen den Ehemann vor dem Fernseher. Dann beginnt die eigentliche Party. Wie zu Jugendzeiten, irgendwie.

Am Sonntag bei der Mutter zum Frühstück. Wir schauen alte Fotos, aber vieles erkennt sie nicht mehr. Nachmittags mit dem Bus an einen See, ein bisschen laufen, soweit sie kann und Kaffee trinken. Es ist immer noch eisig kalt.

Am Montag der Versuch, die Al-Nouri Moschee zu zeichnen. Die Rückfahr-Route wird von der Deutschen Bahn umgelegt, aber wie ein Wunder komme ich doch pünktlich an.

Zu Hause den Herzschmerz nicht mehr aufschieben können. Ich war ja froh ein paar Tage fliehen und aufschieben zu können und mich den Dingen nicht stellen zu müssen. Das geht jetzt nicht mehr. Mensch, Du siehst so traurig aus, sagt A2. heute in der Mittagspause. Manchmal ist das eben so, sage ich. A. auch: Ich finde das ganz schön mutig! Und: Ist doch gut, dass das jetzt geregelt ist, dann kannst Du das wegstellen. Ich verspreche ihr besser drauf zu sein, wenn wir morgen ausgehen. Frage mich später, was einen eigentlich traurig macht. Die nicht stattgefundene Zukunft, denke ich. Frau W., Sammlerin nicht stattgefundener Zukünfte (Plural?).