22.11.22

Frau Mama sagt, 22.11.22 wäre ein schönes Datum zum Bloggen. So sei es.

Die kleinen Datteln der Kanarischen Dattelpalme lassen sich einpflanzen und neue Palmen daraus ziehen, sagt der Wanderführer und ich stecke drei in die Hosentasche. Wenn man das Fruchtfleisch entfert, bleiben Samen übrig, die wie Kaffeebohnen aussehen. Man macht aus den Früchten einen Sirup der wunderbar zu Ziegenkäse schmecken soll. Früher nannten sie ihn Palmhonig, das hat die EU verboten, da keine Bienen im Spiel sind – dann eben Palmsirup. Zum Essen sind die Früchte zu klein und fleischlos, werden aber an Tiere verfüttert. Mir tun die Beine nach der Wanderung weh, ich bin nicht wirklich eingelaufen.

Die Stifte, die ich mitgenommen habe, gefallen mir nicht und so suche (und finde) ich eine Papeleria am Hafen. Der Besitzer erklärt mir in hektischem Englisch, dass er keine Kartenzahlung akzeptiere, für mich aber eine Ausnahme mache. Natürlich kaufe ich auch noch ein Notizbuch, das ich nicht brauche (Hallo Maarten). Ich mag den Typen und seinen Laden und bevor ich wieder abreise, kaufe ich sicher noch einmal etwas, das ich nicht brauche.

Die Insel ist voller ältlicher Hippies, die irgendwie in den 80ern hängen geblieben sein müssen. Ich lande auf dem Rückweg ernsthaft in einem Laden mit gebatikten Klamotten, der nach Patschuli riecht. Am Nachmittag sitze ich auf den Balkon und male arabische Wörter auf Karten, Kalligraphie mag ich das nicht nennen. Ein Arbeiter „schält“ die Palmen am Straßenrand mit einer Motorsäge. Das dient dem Insektenschutz. Die können sich in den „Schuppen“ einnisten und Schaden anrichten. Anderen wäre das zu wenig Urlaubsfeeling, aber ich mag die Arbeitsatmosphäre. Als er bei „meiner“ Palme landet verkrümele ich mich ins Wohnzimmer, der herüberwehende Palmenrindenstaub macht weiter zeichnen unmöglich. Später die Runden im Pool absolviert. ich schwimme die Normzeiten für den Rettungsschwimmer nach Corona immer noch nicht.

Randbemerkt: Ich könnte hier auch gut überwintern. Gibt wenig, was mich im Moment zu Hause hält.

Netzleben: Ich will den Twitter-Account eigentlich dicht machen, tue mich aber schwer, einige zu verlieren: Frau Mama, Harm, Fab, Opa Antifa, den alten Saed. Aber es nervt schon beim Lesen: Nicht ein Tag ohne leidige Aufregungsdiskussion (Fußball, Binden). Ich bin so alt, ich will da keine Lebenszeit mehr drauf verschwenden (und im Urlaub schon gar nicht). Ein wenig schwappt schon nach Mastodon rüber, schalte alles stumm, was mich damit vollmüllt. Schön: Poux und South, die sich vor einigen Jahren von Twitter verabschiedet haben, sind auf Mastodon wieder da.

Halber November, mäkelig

Hake die Tage bis zum Urlaub ab, alles fühlt sich borderlinig an. Die Gleichzeitigkeiten von Katzen und Katastrophen versuche ich durch Plattformen zu trennen. Katastrophen für Twitter, Katzen für Mastodon. Ich bekomme gezeichnete Postkarten, ich bin dankbar, aber Aufmerksamkeit nicht mehr gewöhnt. Und: Man führt wieder Gespräche auf Mastodon, fühlt sich wie Weblogs an: Über die Praxis des Tagebuchsschreibens, Kate Bush, die Herkunft des Wortes Qubbah.

Alaa Abd el-Fattah verschärft in Ägypten seinen Hungerstreik, die Familie wird über seine Situation im Unklaren gelassen, ob er tot ist, ob er zwangsernährt wird. Ständig sich widersprechende Informationen. Der Terror des Regimes. Hier nimmt kaum jemand Notiz davon, es fehlen die Kopftuchmädchen als Anschlussmöglichkeit für das deutsche Bürgertum.

Da ich selbst wieder Kritzel, die Frage ob Kunst erheben soll oder die Dinge dokumentieren? Die Borderline-ige kann nicht beides denken. Googel befragt zu Kunst und Klimawandel – wer soll das verstehen, bitte? Zu wem spricht das? M. glaubt mir nicht als ich ihr schreibe, dass ich von Hochkultur (Literatur, Theater, Musik, Kunst) keine Ahnung habe und die entsprechenden Diskussionen auch gar nicht verfolge. Nur ein wenig Geschichte und Sprachen, schreibe ich, ansonsten lese ich halt gern.

Schaue mir Fotos von Aktivisten der Letzen Generation an – was ist mit denen, dass die sich nicht schön machen mögen?

Morgens werden die Dinge geteilt: Zwei Erdnüsse für die Krähe, eine für mich. Im Busch vor dem Haus picken Amseln die letzten Beeren