Ich war von der Ruhe überrascht. Obwohl die Abtei in der Stadt liegt herrschte im Gastflügel eine Ruhe als wäre man im Wald. Ein Wochenende „Wie in dieser Welt als Christin oder Christ leben“ in der Abtei. Bruder Y. war 35 Jahre Richter am Amtsgericht, dementsprechend war alles gut strukturiert und glitt nicht in Gefühlsduseligkeit ab, wobei ich wieder die Unterschiede zu den von Kindheit an Sozialisierten merkte. Während ich eher mit „Was können wir alles tolles machen?“ hinging, ging es bei den anderen doch viel darum, wie man das Schrumpfen der Christenheit in Europa erlebt. Zum Teil auch verständlich, gerade bei denen auf dem Land, wo kleine Pfarreien zu riesigen Pfarreien zusammengelegt werden und dann alle paar Monate ein aus Indien importierter Pfarrer vorbeischaut (wobei man deren Dienst gar nicht genug hochschätzen kann) und es kein richtiges Gemeindeleben mehr gibt. Zuweilen dann doch einiges sehr intensiv, aber das soll hier nicht Thema sein. Viel auch als Thema, was man macht, wenn man angegriffen wird, aber auch da bin ich wahrscheinlich noch so frisch, dass ich mit dem Gegenhalten keine Probleme habe. Aber ich kann ja eh nie die Klappe halten. Das Mit-Leben im Kloster kannte ich ja schon aus Maria Laach, zum Glück gibt es hier nur abends Schweigen und Tischlesung beim Essen im Refektorium und mittags kann man sich mit den Mönchen unterhalten. Wobei ich auch die Tischlesungen immer sehr genieße. Es ist einem freigestellt, ob man am Stundengebet teilnimmt oder nicht. Ich tue es aber, bis auf eine Komplet, weil ich den Eindruck hatte, für mich sein zu müssen und zu schreiben. Das letzte Mittagessen verpasse ich, weil ich Richtung Hannover weiter muss und am nächsten Tag nach Walsrode. Ein Seminar zu „Rechtswirksames Schreiben für betriebliche Interessensvertretungen“. Die Deutsche Bahn macht die Anreise wie erwartet schwierig. Das Verdi-Haus liegt etwas außerhalb in der Nähe des Vogelparks mitten im Wald. Im Sommer muss es traumhaft sein, Ende Oktober wird man mit tagelangem norddeutschem Sprühregen beglückt in dem sich aber auch spazieren gehen lässt. Dafür hat das Haus eine sehr schöne Sauna, die dann mehr zum Wetter passt. Wegen der Feiertage wurde das Seminar auf 3 Tage gekürzt, dementsprechend dicht ist alles und ich merke am zweiten Tag auch, dass mein Bedürfnis nach sozialer Interaktion langsam gedeckt ist: Reden beim Frühstück, reden im Seminar, reden beim Mitagessen, wieder Seminar, Kaffee, Seminar, Abendesse ggf. hinterher noch was trinken. Zurück in Hannover besuche ich die Basilika St. Clemens, die mir mit ihrem weißen Innenraum und den abstrakten Figuren sehr gefällt. Eine junge Frau verweilt in der eucharistischen Anbetung, dementsprechend laufe ich nicht rum und fotografiere nur dezent: Ich hasse das selbst, wenn ich im Gebet bin und Touristen laut redend und türeknallend durch die Kirche latschen. Besonders auch eine Maria-Staue mit Jesuskind und Heiliger-Geist-Taube. Aus irgendeiner Hinterhältigkeit heraus ist der Leysieffer-Laden geschlossen. Keine Meersalzschokolade für mich. Morgen Heimreise.
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