Archiv für den Monat: März 2022

Gesprächsfetzen

Warum denn in den 80ern alles leichter war, will ich wissen. Da war der Krieg nicht konkret da, sagt er. Sie will von mir etwas über Psychopharmaka wissen, ich sage ihr, dass man die nicht braucht, wenn man strukturell keine Probleme löst. Sie macht immer noch jeden Tag Überstunden. Ich suche Dinge für sie, die sie am Abend tun kann und die sie gedanklich ablenken.

Am anderen Tag M.’s Beteuerungen wie gut sie doch klar käme und die offensichtlichen Anzeichen, dass dem nicht so ist. Sag P. er soll den Kühlschrank auswischen, wenn er zum Putzen kommt, sage ich, während ich abgelaufene Lebensmittel wegschmeiße. Wir fahren gemeinsam in die Stadt, sie kann jeweils ein Stückchen gehen, muss sich aber viel setzen. Das Herz. Am Jungfernsteig finde ich den Fahrstuhl nicht und sie muss die Treppen steigen. Es gibt nur einen auf den U-Bahnsteigen merke ich später, nicht bei der S-Bahn. Sie freut sich über den Blick auf das Rathaus, den Blick auf die Alster und die Tasse Kaffee, die wir trinken. Das schlechte Gewissen, dass ich nicht öfter da bin. Als ich frage, ob ich Ostern wieder kommen soll, scheint sie das nich zu interessieren. Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Verständnis von Zeit und Planungen gehen weiter verloren.

Am nächsten Tag im Zug mit mir selbst sprechen. Nur im Gedanken, ich bin nicht nicht alleine im Abteil: Ich muss gedanklich mit jemand anderem abschließen, aber es ist immer so ein Loch, wenn man mit etwas aufhört. Jedes Mal ein kleiner Tod. Lückenfüllpläne schmieden. Das ist einfach viel zu oft so. You deserve better, hatte O. mal gesagt. Manchmal denike ich das auch, nur denkt das Leben das meistens nicht.

Im März

Zwei volle Wochenenden von 9-17 Uhr mit der Sanitätsausbildung verbracht. Dann stolze Beseitzerin eines SAN-A-Scheins (Sanitätshelferin). Ich hatte vor der praktischen Prüfung Angst, theoretische Inhalte verinnerlichen ist ja doch Tagesgeschäft. Die ganze Zeit über sehr viel Respekt vor der Sauerstofflasche, ein neben mir liegender Gefahrenstoff. Die praktische Prüfung bestand im ersten Teil aus einer Herz-Lungen-Wiederbelebung mit angelegtem Guedeltubus, Beatmungsbeutel und angeschlossener Sauerstofflasche. Man arbeitete in Zweierteams. Der zweite Teil der Prüfung war ein zugelostes Fallbeispiel, in unserem Fall einem Mann, der sich einen Schraubenzieher durch die Hand gestochen hatte. Notruf absetzen, Schraubenzieher mit Verbänden stabilisieren, dass er nicht wackeln kann und Hand ruhig stellen (Niemals etwas aus dem Patienten rausziehen , ggf. Verblutungsgefahr bei beschädigten größere Aterien oder Venen oder gesplitterte Knochen werden weiter verteilt etc. – macht dümmstenfalls alles schlimmer => Sache des Krankenhauses,) beruhigen und Verletzung so abdecken, dass er es nicht sieht, sitzend angelehnt aufrecht lagern (kippt ggf. um, wenn ohnmächtig vor Schmerz), Lebensfunktionen regelmäßig kontrollieren. Verbände sind ja mein Lieblingsthema, insofern ging das gut.

Am Montag davor Frau Hotel Mama und ihr Fahrrad an der Porta Nigra getroffen (Sie berichete davon). Es ist schweinekalt und hätte ich das gewusst, hätte ich doch fleißig geputzt und einen guten Kaffe serviert. Jetzt muss es eben so gehen. Man hat sich viel zu erzählen und das Gespräch schläft nicht ein, es passst also. Wir schauen das, was man in Trier so schaut: Dom, Liebfrauenkriche, Viehmarkttherme, Palastgarten und die Kaisertherme. Mein Trier ist tatsächlich am ehesten mein Straßenbett, das ich ihr zum Schluss zeige. Es gibt noch nicht viel zu sehen, es friert in den Nächten noch zu doll. Aber heute habe ich ein paar Hornveilchen gepflanzt. Auf der Fensterbank in den Vorziehtöpfen machen sich die Petunien und Malven gut, aber die Zinnien wollen nicht.

Krieg und Sanitäter

Unsortiertes zum Krieg:

  • Dieser Krieg wird lang und hässlich.
  • Die Propaganda von allen Seiten, hier vor allem: das Romantiseren des Krieges. Der junge, heldenhafte Präsident. David gegen Goliath. Der verrückte Putin.
  • Twitter noch schlimmer als sonst schon. Die Rechthaberdiskussionen bei denen es nur noch um Positionen geht, um die es sowieso schon immer ging und die Betroffenen kommen nur noch am Rande vor.
  • Presse noch schlimmer. Wie 10mal erklärt wird, dass Putin ja nicht gewinnen könne. Ist das so? Oder wird die Ukraine gerade verwurstet? Von der russischen Propaganda bekomme ich wenig mit, wird aber kaum besser sein.
  • Das ist jetzt der Punkt an dem ich nach 2 Jahren wirklich erschöpft bin.
  • Viele haben schräge Träume.
  • Viele machen konkrete Pläne wohin sie gehen können, wenn der Krieg auch hierher kommt. Ich habe einen Notfallrucksack, immerhin.
  • Der widerliche Rassismus. Die guten und die bösen Flüchtlinge.
  • Bisschen verwirrt, dass einige Migras zu dem Land in dem sie leben tatsächlich keinen Bezug haben und auch die Geschichte nicht kennen. Niemand geht davon aus auch hier ggf. auch nicht sicher zu sein.
  • Die Alten stecken es schlecht weg.
  • Nachrichten wie: NordStream 2 wartet keiner mehr, aber da ist schon Gas mit Druck drin. Angriff auf größtes Atomkraftwerk.
  • Als ob alles immer nach der gleichen Regie abläuft: Die Zivilgesellschaft darf jetzt wieder antreten und sich um die Opfer kümmern. Und natürlich machen das alle, was sollte man auch sonst tun?
  • Weiß nicht, warum ich daran denken musste, aber der beste Flug, den ich jemals hatte, war von Hamburg nach Kiew mit der russischen Fluggesellschaft Aeroflot.
  • Weiter funktionieren.
  • Ich habe eben eine Kategorie „Krieg“ erstellt, das kommt mit immer noch nicht real vor.

Lichtblicke: Am Wochenende endlich der Sanitätskurs A auf den ich seit zwei Jahren warte. Auch wenn ich eigentlich kaputt bin. Besuch aus Berlin von Frau Mama am Montag. Freue mich.