Der Stand des Krieges

Wir sprechen jetzt von früher. Der Ölkrise. Vom Wärmeflaschen im Bett und Eisblumen an den Fenstern. Von Bädern ohne Dusche und dem Klo halbe Treppe. Von Badewasser, das mehrere Personen nutzten. Ich recherchiere, wie man Strom spart, aber die meisten der Tipps setze ich schon um. Die Jugend ist ohne Verzicht aufgewachsen, sagt K. Soll man Verzicht verklären? Ich fürchte weniger den materiellen Mangel als die sozialen und menschlichen Verwerfungen. An vielen Stellen sind sie schon da.

Ich _will _ mich kümmern und es ist auch politisch geboten. Manchmal zynisch, dass die Welt sich ihrerseits wenig um mich kümmert. Über Personalratsarbeit kann ich vielleicht etwas abzufangen. Sanitäterin bin ich ab September und ggf. dann einsatzfähig. Mehr zur Lage kann ich ggf. nicht beitragen. Ich frage mich, wie andere sich vorbereiten. Aber es scheint: Niemand. Alle genießen den Sommer. Verständlich, die P. sagt: Genießen wir, so lange wir noch können… Aber ich kann nicht wirklich abschalten. Gepaart mit schlechtem Gewissem, nicht ausgelassen zu sein. Wann solltest Du denn sonst auftanken, hm? Erinnerungen an die Beschreibungen aus Kästners Tagebuch: Im Krieg erst recht feiern.

Ich erinnere mich an die R.’s Erzählungen. In Aleppo standen sie nachts auf, um Wäsche zu waschen, denn es gab nur stundenweise Strom, manchmal eben auch nur nachts. Wir witzelten noch: Bald geht es Dir wieder so, nur, dass es eben kein Witz ist. Die Deutschen sind wie Schafe, die nicht glauben wollen, dass ihnen das passiert. Erinnerungen an die Memoiren von Simone de Beauvoir. Die Zeit vor dem 2. Weltkrieg, wo auch alle dachten: Es wird nicht so weit kommen. Trotzdem selbst zuweilen verstört, dass sich meine Realität immer mehr der meiner irakischen und syrischen Freunde anpasst.

Wenn D. da wäre, könnte er die Inflation erklären, überhaupt all die wirtschaftlichen Zusammenhänge, die ich nicht verstehe.

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