Blut und Tränen

Am Sonntag Erste-Hilfe-Kurs. Ich mache Rettungskette und Herz-Lungen-Wiederbelebung. Es tut gut, unter bodenständigen Leute zu sein. Die Eindeutigkeit der Dinge, alles hat seinen festen Ablauf. G. ist das erste Mal dabei und er macht das super. Er ist Jugendwart, überhaupt ein toller Mensch. Wir reden über seine Zukunftspläne. Er will zur Polizeit, weil „damit da nicht nur Nazis sind“. Seit ein paar Monaten hat er einen weiteren Gedanken: Notarzt. Versuche ihn ein wenig in die Richtung zu stupsen, aber das Nazi-Argument ist auch nicht von der Hand zu weisen.

Am Abend gedacht: Heul bloß nicht auf die Aquarell-Karten. Daraus dann der Gedanke, dass man doch eigentlich mit Tränen malen könnte. Und für das Drama dann noch Blut dazu. Am nächsten Morgen umgesetzt. Just als ich mir mit der Rasierklinge in die Fingerkuppe schneide meldet sich S. über WhattsApp. Ob ich Anfang Juli nochmal einen Erste-Hilfe-Kurs geben möchte? Ich denke: Ich sage Dir jetzt nicht, dass ich eine selbstverletzende Psychopatin bin, die sich gleich ne Sepsis holt, weil sie mit nem dreckigen Pinsel in der Wunde rumwühlt.

Die ganze Dünnhäutigkeit dieser Tage. Per Mail jemanden mit „das habe ich Ihnen doch letztes Semester alles schon mal erzählt“ anpampen. Es ist ja nicht das singuläre Ereignis, es ist die Serie. Hinfallen, aufstehen, hinfallen, aufstehen, hinfallen, aufstehen, hinfallen, aufstehen… So eine Müdigkeit. Denken: Nee. Nee, ich mache das nicht mehr. Ich laufe nicht weiter. Ich bleibe einfach sitzen. Nicht aufstehen. Nicht gehen. Nichts versuchen. Aber mir wird schnell langweilig, das ist sicher. Man darf nur nicht zu schnell wieder losrennen. Sehr erschöpft.